Alice Henkes texte du Kunst Bulletin 09.2013
Bellelay : Romain Crelier - Kreuzgewölbe mit Tiefensog
Die opulente Schönheit der Abteikirche mit ihrer verspielten Barockarchitektur rückt in der Installation von Romain Crelier (*1962) verdoppelt und gleichsam vertieft in den Blick. Im Kirchenschiff und im Chor hat der Künstler flache Becken aufgestellt, die er mit gebrauchtem Motoröl füllte, und faszinierend ist die Spiegelung, die Crelier so erreicht. Auf der schwarzen, öligen Fläche schwimmt äus-serst klar und präzise das Spiegelbild des Kirchenraums mit seinen reichen Stukkaturen und Verzierungen. Kaum ist das Abbild vom dreidimensionalen Vorbild zu unterscheiden, wäre da nicht ein leichter Grauton, welcher der Spiegelung eine besondere Tiefe gibt, eine dramatische Dimension, die dem originalen Raum so nicht eignet.
Der in Porrentruy geborene Crelier hat in Sion und Basel studiert. Zu seinem Œuvre gehören Grafiken, Zeichnungen, Installationen und Objekte. In der Installation ‹La mise en abîme› entwickelt er eine sehr klare und reduzierte Bildsprache. Die Becken für das Motoröl sind aus je drei kreisförmigen Modulen zusammengesetzt und wären in ihrer abstrakt gerundeten Form auch in einer modernen Parkanlage denkbar. In ihren Massen nehmen sie die Volumina der Kreuzgewölbe der Decke auf und spiegeln so den Raum in gleichsam mathematischer Weise. Von der Empore aus gesehen, liegen sie wie reizvolle Zeichnungen auf dem Grund.
Seit den Neunzigerjahren arbeitet Crelier mit gebrauchtem Motoröl, auf dessen besondere ästhetische Eigenschaften er eher zufällig stiess. Ein Reiz der Arbeit besteht auch darin, dass sie mithilfe eines Abfallprodukts ein Höchstmass an Schönheit erzeugt. Der barocke Kirchenraum öffnet sich in den Motorölbecken ein zweites Mal vor dem Publikum, die hohen Kreuzgewölbedecken führen auf einmal in unermessliche Tiefen. Wörtlich verstanden besagt der Titel ‹Mise en abîme› ja auch, dass hier etwas an den Abgrund gerückt wurde. Der aus der Heraldik stammende Begriff bezeichnet jedoch auch ein Bild, das sich selbst enthält, ein Effekt, der im Barock zum beliebten Bestandteil von Vanitas-Darstellungen avancierte. Auch dieser kunsthistorische Bezug schwingt mit in dem dunklen Spiegelbild von Bellelay. Und wenn man sich ein wenig über die Ölbecken beugt, wird man selbst zum Bestandteil dieser grandiosen Reflexion über Raum und Schönheit.